SCHLÜSSEL ACHT
VERWEILE IN DER GEGENWART
TRANSFORMIERENDE FRAGE: Vergebe ich der Vergangenheit
und erlaube ich der Zukunft, sich zu entfalten?
Es ist schwierig, im gegenwärtigen Moment zu bleiben. Es ist wie ein Sprung ins Leere, ohne zu wissen, ob die Arme des Universums uns auffangen werden. Das Gute daran ist, dass du wissen wirst, es ist okay, wenn du es ein- oder zweimal gemacht hast. Du musst aber zunächst das Risiko eingehen, um dies dann mit einer inneren Sicherheit zu wissen.
Die meisten füllen ihr Bewusstsein und ihr Leben mit Geschichten über die Vergangenheit und mit Erwartungen an die Zukunft. Das trübt nur den Geist und macht das Herz schwer. Keines von beidem ist nötig.
Wenn wir in der Gegenwart verweilen, entfällt die Komplexität. Komplexität entstammt dem Ego-Bewusstsein mit seinem Netz aus Scham und Schuld. Wird das Ego überwunden, verschwindet das Drama. Wir achten wieder auf unseren Atem. Wir werden wieder gegenwärtig im Hier und Jetzt.
Die Gegenwart ist der einzige Ort, an dem wir wirklich lebendig und bewusst sein können. Es ist der Ort der Macht und der Ort des Friedens. Im gegenwärtigen Moment bleibt das Feld der Möglichkeiten offen. Es wimmelt an Gelegenheiten. Es ist ein grenzenloser Raum. Es ist der Raum reinen Bewusstseins.
Die Gegenwart ist der Mittelpunkt des Universums. Du hältst den Schlüssel zum inneren Heiligtum in der Hand, sobald du Vergangenheit und Zukunft loslässt und in dein Herz kommst. So einfach ist das. Nimm einen tiefen Atemzug und sei gegenwärtig. Atme und sei. Das ist alles.
Für die meisten Menschen ist das nicht genügend Drama. Wir haben Angst davor, uns zu langweilen, und so erlauben wir uns, in irgendeine alte Geschichte abzudriften. Die Geschichte bringt alte Glaubensmuster und Gefühle an die Oberfläche, und wir nehmen sie wieder in uns auf. Wir finden das unterhaltsam. Das Problem ist, dass uns das erneut in die Angst zurücktreibt.
Rufen wir die Vergangenheit nicht wieder wach, greifen wir gedanklich der Zukunft vor. Wir planen und träumen. Wir holen unsere Scham und Angst herbei, indem wir die Vergangenheit mit der Zukunft verbinden. Das führt dazu, dass unsere Erfahrung die gleiche sein und unser Ego sich sicher fühlen wird.
Während wir die Vergangenheit wieder herholen und die Gedanken und Gefühle noch einmal durchleben, versuchen wir, zu planen, zu inszenieren oder an der Zukunft zu bauen. Naiv oder vielleicht romantisch, wie wir sind, erwarten wir, dass das Ergebnis diesmal anders sein wird. Das ist, als machte man eine Diät mit Kuchen und Eiscreme, um Gewicht zu verlieren. Das ist völlig absurd. Der Weg zu einer bedeutsamen Veränderung besteht darin, die Vergangenheit loszulassen, anstatt sie heranzuziehen oder sogar noch zu verstärken.
Menschen können eigenartige Geschöpfe sein. Sie werfen ihr Geld in einen Spielautomaten und spielen das gleiche Spiel immer und immer wieder in der Erwartung, den Jackpot zu knacken. Falls sie ihr Geld verlieren, glauben sie, dass ihre Zeit schon noch kommen wird. Sie scheinen der alten Geschichten und Luftschlösser nicht überdrüssig zu werden.
Warum nehmen Menschen eigentlich Drogen? Sie möchten dem Augenblick entfliehen, vielleicht weil sie gelangweilt sind oder weil sie leiden. Also erweitern sie ihr Bewusstsein mit Chemie oder schnüren es ab. Sie schauen durch ein Kaleidoskop, und so sehen die Dinge wirklich cool und interessant aus. Nichts ist faszinierender als die Show, die sich in ihren Köpfen abspielt. Darüber vergessen sie, zur Arbeit zu gehen. Sie lassen das Abendessen ausfallen und suchen dann um drei Uhr nachts nach etwas Essbarem. Weißt du, wer nachts um drei auf der Straße ist?
Okay. Manche Menschen begreifen es einfach nicht, bis es ihnen ins Gesicht springt. Sei’s drum! Du kannst niemanden dazu zwingen, in der Gegenwart zu bleiben, wenn er Angst davor oder keine Lust dazu hat, hier zu sein.
Die Realität ist nie so schlecht, wie wir zunächst meinen. Wenn wir einfach atmen und da sind, werden wir durch den Schleier der Vergangenheit hindurchsehen und der Zukunft frei begegnen. Sie ist nicht, was wir erwarten. Sie ist viel lichter und interessanter.
In den Briefen an die Korinther heißt es: »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht.« Wenn wir erwachen, beginnen wir zu sehen, was ist, und nicht, was wir erwarten oder befürchten. Zu sehen, was ist, wird zu einer Offenbarung. Es entspricht nicht den Erwartungen unseres Ego. Es steht nicht in Zusammenhang mit unserer Angst. Es bietet uns einen neuen Weg, eine neue Vision, eine neue Erfahrung.
Die Vergangenheit loslassen
Eine Möglichkeit, die transformierende Frage zu stellen, besteht darin, uns einfach zu fragen, ob wir auf die Gegenwart oder auf die Vergangenheit fokussiert sind. Indem wir das ehrlich beantworten, werden wir erkennen, dass wir normalerweise auf die Vergangenheit ausgerichtet sind. Das ist schon okay. Wir müssen uns deshalb nicht verurteilen. Wir müssen einfach nur verstehen: Das hat alles mit der Vergangenheit zu tun. Mein Ziel aber ist es, in der Gegenwart zu bleiben.
Die Übung führt uns in den gegenwärtigen Augenblick. Natürlich werden wir immer wieder in die Vergangenheit abgleiten, aber das ist in Ordnung. Unsere Übung hilft uns, uns zurückzuholen. Allmählich sind wir dann in der Lage, immer länger im Augenblick zu verweilen.
Richtest du dich auf die Vergangenheit aus, kommen Scham und Schuld auf. Das ist eine gute Gelegenheit, die Last zu erkennen, die du mit dir herumschleppst. Schaust du dir diese Last an, gewinnst du vielleicht Aufschluss darüber, warum du sie herumschleppst. Je mehr du die Last der Vergangenheit erkennst und spürst, desto leichter fällt es dir, sie abzuwerfen. Niemand möchte diesen Sack mit alten Knochen herumschleppen. Er ist einfach viel zu schwer und macht eine Menge Lärm. Wenn du läufst, kann jeder die Schädel darin klappern hören.
Die Vergangenheit mit sich herumzutragen, beschränkt deine Erfahrung des gegenwärtigen Moments. Du kannst nie richtig da sein. Und je mehr du mit den Gedanken abschweifst, desto uneffektiver bist du. Vielleicht bist du nicht einmal in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Falls das auf dich zutrifft, mach einen Alkoholtest. Vielleicht bist du nicht alkoholtrunken, aber trunken vom Gestern, von der vergangenen Woche oder vom vergangenen Jahr.
Freiheit trifft ein, wenn wir ganz in der Gegenwart dieses Augenblicks sein können. Alles andere ist nur die eine oder andere Form von Knechtschaft.
Hab keine Angst vor der Gegenwart. Sie wird dich nicht verschlingen. Das tut nur die Vergangenheit. Sie ist wie ein gigantischer Alligator, der dich in die Tiefe des Flusses herunterzieht. Die Gegenwart jedoch tut das nicht. In der Gegenwart zu sein ist wie in einem Kanu ohne Paddel auf dem Fluss zu gleiten. Du hast eine wunderbare Aussicht, aber du weißt nicht, wohin die Reise geht.
Jedes Mal, wenn wir in der Gegenwart sind, bietet sich uns die Gelegenheit, dem Universum zu vertrauen. Entweder weiß der Fluss, wohin er fließt, oder er weiß es nicht. Sicher ist: Wir werden es früher oder später herausfinden.
Der Zukunft erlauben, sich zu entfalten
Eines ist sicher: Du weißt nicht, wohin der Fluss führt. Du hast keine blasse Ahnung. Je eher dir das klar wird, desto besser.
Frage dich, wie viele deiner gut geschmiedeten, sorgfältig ausgearbeiteten Pläne funktioniert haben. Bist du ein großer Schöpfer oder vergisst du The Secret immer wieder? Sei mal ehrlich. Falls du so bist wie die meisten Menschen, musst du zugeben, dass das Leben sich selten so zeigt, wie du es dir wünschst oder erwartest.
Ich habe Neuigkeiten für dich. Es gibt kein Geheimnis. Alles liegt klar zutage. Du musst nur deine Augen öffnen. Ich sage es dir geradeheraus: Weder du noch ich haben die leiseste Ahnung. Weder du noch ich können unser Leben entwerfen oder kontrollieren. Wenn wir das könnten, wären wir alle Ingenieure anstatt Dichter, Priester oder Tankwarte.
Ein Mensch auf dem spirituellen Weg mag über das Gesetz der Anziehung sprechen; trotzdem hat er keine Ahnung, was in seinem Leben geschehen wird. Sollte er versuchen, dir etwas anderes zu erzählen, so lügt er. Die meisten Menschen erschaffen unbewusst. Selbst diejenigen, die bewusst erschaffen, tun dies nur zeitweise. Das Ergebnis ist immer eine bunte Mischung.
Das erinnert mich an einen Freund, der einen Lamborghini in seiner Auffahrt manifestierte. Leider manifestierte er auch einen zehn Tonnen schweren Elefanten, der sich auf den Wagen setzte, sodass der nicht nur unnütz war, sondern ihn auch noch eine Menge Geld für das Abschleppen und Verschrotten kostete. Vom Elefanten gar nicht erst zu reden. Habe ich erwähnt, dass es ein weißer Elefant war?
In dem Land, in dem das Gesetz der Anziehung regiert, sind die Elefanten immer weiß. Und zwar deshalb, weil sie »spiritueller« sind.
Wie auch immer, ich bin mir sicher, du hast verstanden, worum es geht, auch wenn du anderer Meinung sein solltest als ich. New-Age-Gerede vergeht nicht so leicht. Vielleicht, weil es bislang noch kein Zwölf-Punkte-Programm dafür gibt wie für Alkoholiker.
Du hast für nichts im Leben eine Garantie. Niemand wird dir genau sagen, was geschehen wird, damit du dich darauf vorbereiten kannst. Verschwende deine Zeit nicht, um zu Hellsehern und Astrologen, Priestern oder Experten zu gehen. Niemand weiß es. Sie wissen es nicht einmal auf ihr eigenes Leben bezogen, geschweige denn auf deines.
Selbst wenn jemand dir sagen könnte, was die Zukunft dir bringen wird, wäre das bedeutungslos. Sie könnten dir nicht sagen, wie du darauf reagieren würdest. Und im Voraus zu wissen, was geschehen könnte, macht es vielleicht sogar noch schwieriger für dich, dem zu begegnen, sobald es tatsächlich eintrifft.
Damit verhält es sich wie mit einer großen Dose voller Würmer. Höre auf, dieses oder jenes zu manifestieren. Gib es auf! Geh lieber angeln. Da kannst du mit den Würmern am meisten anfangen. Und darauf zu warten, dass der Fisch anbeißt, führt dazu, dass du im Augenblick bleibst und wachsam bist.
Wenn du dafür einen spirituellen Begriff brauchst, nenne es »Zen und die Kunst zu angeln«. Solltest du mal ein Buch darüber schreiben, erinnere dich bitte daran, dass der Titel von mir stammt.
Sonnenschein und blauer Himmel
Ich weiß nicht, warum christliche Mystiker das Nicht-Wissen als eine Wolke bezeichnen. Ich glaube, es wäre zutreffender, zu sagen, dass »der Glaube zu wissen« eine Wolke ist. Im Vergleich dazu ist »zu wissen, dass du nicht weißt« wie ein heller, sonniger Tag mit blauem Himmel. Du siehst alles so, wie es ist. Nichts ist verhüllt oder verborgen.
Es wird sogar noch makelloser und überwältigender, wenn du das alles sehen kannst, ohne zu urteilen oder zu interpretieren. Sei einfach gegenwärtig und sieh, was ist.
Wisse, dass die Wolken heraufziehen, sobald du urteilst. Dann siehst du wieder durch den Spiegel ein dunkles Bild. Du erkennst nicht, was ist, wenn du es durch deine Filter siehst.
Sobald du durch die Linse der Angst schaust, sieht das Leben dunkler aus, als es ist. Angst lässt alles trübe erscheinen. Blau wird zu Grau. Die Farben verblassen wie bei einem abgenutzten Stoff.
Lernst du aber, deine Angst sanft zu halten, dann kehrt die ganze Farbpalette ins Leben zurück. Halte deine Befürchtungen nicht für die Wahrheit. Das sind sie nicht. Halte sie einfach sanft, dann werden die Wolken an dir vorüberziehen.
Diese spirituelle Übung fordert uns auf, wachsam zu sein und zu beobachten, wie sich das Leben entfaltet. Der Zeuge macht sich nicht von dem abhängig, was er sieht, sondern er lässt es kommen und gehen. Er versucht nicht, etwas vorauszusagen oder das Leben zu kontrollieren, sondern er gibt sich hin und bewegt sich mit ihm – wie ein Zweig oder ein Blatt, das in den Fluss fällt.
Das »Nichtanhaften« gehört zu den großen Früchten einer spirituellen Lebensweise. Weil wir die Vergangenheit loslassen, ist die Gegenwart immer neu. Sie kommt unbelastet und frei, um zu sein, was sie ist. Und wir sind ebenfalls frei, darauf so einzugehen, wie es sich im jeweiligen Moment richtig anfühlt.
Das ist die Freiheit, um die wir uns das ganze Leben lang bemüht haben. Die Freiheit, wir selbst zu sein und anderen zu erlauben, sie selbst zu sein. Die Freiheit, das Leben sich in uns und durch uns entfalten zu lassen.
Hier endet die Reise. Dies ist der Ort, an dem wir zur Stille zurückkehren. Der Regentropfen fällt in den Ozean und wird zum Ozean. Das ist das Ende des Getrenntseins.
Mystiker haben über diesen Moment geschrieben. Jetzt ist er gekommen. Die Bedingtheit hat ein Ende. Die Pforte zur ewigen Liebe ist geöffnet, und wir sind endlich bereit, über die Schwelle zu schreiten.
Hier verschmelzen das Persönliche und das Unpersönliche. Der Liebende und der Geliebte sind ein und dasselbe. Wir verweilen gemeinsam in der Einheit. Unsere Wiedervereinigung mit dem Göttlichen ist nun vollendet.
Wichtige Gedächtnisstützen
Alles, was ist, ist in diesem Augenblick enthalten. Wenn du in ihm bleibst, weißt du:
- Du bist nicht von deinem wahren Selbst getrennt.
- Du bist nicht von deinem Bruder oder deiner Schwester getrennt.
- Du bist nicht von Gott getrennt.
- Du bist sowohl Zeuge als auch Mitwirkender.
- Du bist der Überbringer der Liebe – und auch der, der sie empfängt.
Mit vielen Segenswünschen von mir.
Namaste.