SCHLÜSSEL VIER
SEI EHRLICH

TRANSFORMIERENDE FRAGE: Spreche ich meine Wahrheit
und höre ich auf die Wahrheit anderer?

Es ist immer eine Herausforderung für uns, die Wahrheit zu äußern. Wir neigen dazu, Menschen das zu sagen, was sie hören wollen. Während wir nach Anerkennung oder Zustimmung suchen, wird die Wahrheit dabei oft aufs Spiel gesetzt.
     Sind wir wirklich ehrlich zu uns, dann erkennen wir, dass wir oft gar nicht wissen, was wahr für uns ist. Zu sagen: »Ich weiß es nicht«, ist der erste Schritt zur Ehrlichkeit. Das ist besser, als eine Geschichte zu erfinden oder anderen zu sagen, was sie hören wollen, damit sie aufhören zu fragen.
     Es beginnt mit einem Vorgang der Selbstfindung. Wir beginnen uns zu fragen: Wo liegt hier für mich die Wahrheit? Diese Frage führt uns in die Verbindung mit uns selbst. Und dort – nur dort – ist der Ort, an dem wir mit der Wahrheit in Berührung kommen.
     Um die Wahrheit zu hören, musst du lauschen. Du musst still werden. Du musst unter das Gewirr sich widersprechender Gedanken und Gefühle sinken, die wir »monkey mind«, also wörtlich übersetzt »Affengeist«, nennen. Der »Affengeist«, der von Baum zu Baum springt, bedeutet einfach Wirrwarr. Dort liegt keine Wahrheit. Du musst tiefer gehen.
     Also bleibst du bei der Frage und sinkst in dein Herz. Du erlaubst dir, dich zu entspannen und zu atmen. Du erlaubst dem Atem, den Verstand herunterzufahren, damit mehr Abstand zwischen den Gedanken entsteht. Das ist der Ort, an dem Einsicht und Führung zu uns gelangen.
     Die Wahrheit zeigt sich immer, wenn du lange genug bei etwas bleibst. Die Frage ist: Bist du bereit, in der Stille zu sitzen und zu sein? Bist du bereit, geduldig zu sein?

Die Wahrheit sagen

Hast du genügend Zeit in Ruhe und Verbindung mit dir selbst verbracht, kommt die Wahrheit zutage. Normalerweise überfällt sie dich nicht, sondern flüstert dir sanft zu. Führung und Klarheit kommen oft mit einer ruhigen, friedlichen Stimme zu uns. Wahrheit ist in ihrem Wesen organisch. Sie entwickelt oder entfaltet sich. Nur selten bricht sie hervor oder bahnt sich mit einem Schlag ihren Weg. Hüte dich vor den autoritären Stimmen, die befehlen, fordern oder dich aufhetzen; sie entspringen normalerweise einem Ort der Verletzungen und verborgenen Programme. Hinter ihnen braut sich ein Sturm zusammen.
     Warte, bis die Fluten nicht mehr anschwellen und bis der Wind sich legt. Und dann höre hin, was die Stimme sagt.
     Wenn die stille kleine Stimme der Wahrheit dir zuflüstert, lasse sie ein und verweile mit ihr in Geduld. Lass die Wahrheit zu jeder Zelle deines Körpers sprechen. Sei mit der Wahrheit und verinnerliche sie, bevor du sie aussprichst oder nach ihr handelst. Es sollte keine Impulsivität oder Hast in deiner Begegnung mit der Wahrheit liegen. Andererseits sollte es keine Verzögerung, kein Zaudern, keinen unnötigen Aufschub geben.
     Es gibt eine richtige und eine falsche Zeit, um die Wahrheit zu sagen, und eine richtige und eine falsche Art, die Wahrheit auszusprechen. Hier sind einige wichtige Richtlinien:

  • Versuche nicht, anderen die Wahrheit zu sagen, wenn sie nicht zuhören oder solange du aufgebracht, beschäftigt oder in andere Angelegenheiten vertieft bist bzw. solange die anderen es sind. Erschaffe einen entspannten und heiligen Raum, in dem du in der Lage sein wirst, aus deinem Herzen heraus zu sprechen und mit dem Herzen gehört zu werden (siehe Affinity-Prozess).
     
  • Drücke dich behutsam aus, indem du in »Ich«-Aussagen sprichst, sodass du deine Wahrheit mitteilst ohne jegliche Erwartung, dass sie auch für andere wahr sein muss. Hau dem anderen deine Wahrheit nicht um die Ohren, entschuldige dich aber auch nicht dafür.
     
  • Bitte um Akzeptanz, nicht um Übereinstimmung. Liebe beruht nicht auf Übereinstimmung. Sie beruht auf Akzeptanz und gegenseitigem Respekt.
     
  • Die Wahrheit zu sprechen und zu hören ist eine in sich geschlossene Handlung. Es braucht nichts weiter daraus zu entstehen. Kommentare sind überflüssig, und es müssen keine Entscheidungen gefällt werden. Nimm dir ein wenig Zeit, um aufzunehmen, was mitgeteilt wurde. Bitte weder um eine Stellungnahme noch gib eine ab. Lass einfach die Erkenntnis sinken, und wenn du später bereit bist, kannst du sie besprechen.

Wahrheit wird am besten zu einem heiligen Zeitpunkt und in einem heiligen Raum ausgesprochen. Den richtigen Zeitpunkt und Ort zu wählen, an dem du dich anderen aus deinem Herzen heraus mitteilst, macht es sehr viel wahrscheinlicher, dass man dir auf eine Art und Weise zuhört, die von Herzen kommt und respektvoll ist. Dich mit Liebe in deinem Herzen und in deiner Stimme mitzuteilen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der andere deine Erfahrung nicht als Angriff, sondern eher als eine Einladung zu größerer Nähe erlebt.

Andere hören

Ehrlichkeit ist in jeder Beziehung eine Straße, die in beide Richtungen führt. Indem wir zu anderen ehrlich sind, geben wir den Ton an und laden sie dazu ein, ebenso zu verfahren. Darüber hinaus kannst du ehrliche Kommunikation fördern, indem du zuzuhören lernst, ohne zu urteilen oder zu kommentieren. Höre zu, damit andere sich gehört und akzeptiert fühlen. Gib nicht noch deinen »Sermon« dazu. Verurteile, kritisiere oder bewerte nicht, und gib auch kein ungebetenes Feedback. Fange nicht an, Geschichten aus deinem Leben zu erzählen, die dir vielleicht durch die Mitteilung des anderen in den Sinn kommen. Du bist nicht da, um zu kommentieren, sondern um zu verstehen und zu akzeptieren, was mitgeteilt wurde.
     Die meisten hören mit einer Richtermütze auf dem Kopf zu. Was andere sagen, hören wir durch unsere eigenen Überzeugungen und Filter. Wir antworten, wägen ab und äußern unsere Meinung, selbst wenn wir nicht darum gebeten werden. Ist es ein Wunder, dass Menschen sich deshalb nicht gehört, wenn nicht sogar verurteilt und angegriffen fühlen?
     Erinnere dich: »Was du über andere denkst, ist nicht deren Angelegenheit.« Sie müssen nicht wissen, welche Urteile du über sie fällst. Es wäre nicht hilfreich für sie, das zu wissen, und es würde sie sicher nicht dazu ermutigen, dir zu vertrauen.
Platze nicht mit deinen Urteilen heraus. Nimm sie wahr und übernimm Verantwortung für sie. Erkenne, dass deine Urteile mehr über dich selbst als über andere aussagen. Deine Urteile zeigen dir Aspekte deiner selbst auf, die du noch nicht zu lieben und zu akzeptieren gelernt hast. Die mitfühlende Wahrnehmung deiner Urteile kann eine Pforte zur Heilung der Angst und der Schamgefühle sein, die mit deinen Kindheitswunden zusammenhängen.
     Projiziere deine Urteile, Verletzungen oder Glaubenssätze nicht auf andere. Lass ihnen ihre eigene Erfahrung. Betrachte das, was andere in dir triggern, als ein Geschenk, das es dir ermöglicht, auf einer tieferen Ebene zu heilen. Lade deinen Kram nicht bei anderen ab, nur weil du Angst davor hast, ihn anzuschauen.
     Zuhören zu lernen ist eine wahre Kunst. Es geschieht nicht so leicht oder schnell. Wenn du die Wahrheit anderer hörst, nimmst du die Rolle eines Zeugen ein. Du betrachtest sie in ihrem Prozess. Indem du es unterlässt, dafür- oder dagegenzuhalten, bleibst du uneingeschränkt und frei, zu denken und zu fühlen, wie es für dich stimmig ist. Du wirst nicht in ein fremdes Drama hineingezogen. Du magst es erkennen, doch du machst es dir nicht zu eigen, weil es zum anderen gehört, nicht zu dir.

Die Wahrheit bezeugen

Indem du das, was für den anderen wahr ist, vorbehaltlos akzeptierst, vermittelst du als Zeuge die Einstellung: »Du bist in Ordnung, so wie du bist. Du musst dich nicht als jemand darstellen, der mir oder irgendeiner anderen Person gefallen muss.« Der Zeuge hat nicht das Bedürfnis, dich zu verändernoder zu verbessern. Du bist schon in Ordnung. Da ist nichts in dir, das mangelhaft oder kaputt wäre. Du musst nicht umgestaltet werden. Du musst nicht gerettet werden. Du musst nicht korrigiert werden.
     Dahinter steht eine grundlegende Bejahung. Ihre Botschaft ist: »Ich erkenne dich als einen gleichwertigen Bruder oder eine gleichwertige Schwester an. Du hast dein Leben, und ich habe meines. Ich achte deine Reise in gleichem Maße, wie ich das für mich beanspruche.«
     Der Zeuge übt sich in Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt. Der Zeuge wahrt die Würde der Erfahrung jedes Einzelnen. Er verurteilt, kritisiert oder beschuldigt nicht, sondern sieht einfach, was für den anderen wahr ist, und ehrt es.
     Der Zeuge versteht die Tyrannei, die dem Bedürfnis nach Übereinstimmung oder Zustimmung innewohnt. Er weiß: Wer verlangt, dass andere die gleiche Erfahrung oder den gleichen Glauben haben, ist ein unsicherer Mensch. Auf Übereinstimmung zu bestehen, macht das Leben steif und langweilig. Es zerstört die Vielfalt und Spontaneität – beides Aspekte, die das Leben interessant machen und Freude bringen. Die Wahrheit ist, dass die Menschen unterschiedlich sind. Sie sind recht häufig verschiedener Meinung, und das ist nicht zwingend schlecht. Verschiedenheit führt zu Diskussion und Synthese. Sie erzeugt einen kreativen Prozess, der Menschen hilft, die besten Antworten auf die Probleme des Lebens zu finden. Sicher, es kann schon passieren, dass das zu weit getrieben wird. Es kann sein, dass die Menschen aus dem Auge verlieren, was sie gemeinsam haben. Sie polarisieren sich möglicherweise und können dadurch zum Stillstand kommen. Extreme sind nicht hilfreich.
Der Zeuge erwartet nichts. Manchmal stimmt er mit anderen überein. Manchmal auch nicht. Aber er akzeptiert immer den Standpunkt und die Erfahrung des anderen.
     Wenn wir aufhören, nach Übereinstimmung zu suchen, kann die Wahrheit nicht mehr durch Verschiedenheit gefährdet werden. Verschiedenheit wird als Preis für Authentizität und Freiheit akzeptiert. Wir geben einander die Erlaubnis, ehrlich zu sein. Wir erschaffen einen sicheren Raum, wo jeder sprechen und gehört werden kann.

Die Sprache der Liebe

Die Sprache der Liebe lässt keine Verurteilung oder Kritik zu. Sie unterstützt weder Diskriminierung noch Vorurteile. Sie führt nicht zu Zurückweisung oder Einschüchterung. Sie mündet in keinerlei Form von Manipulation oder Grausamkeit.
     Bei der Sprache der Liebe geht es um Akzeptanz, Ermutigung, Unterstützung, Verständnis und Respekt. Sie erhebt andere. Sie setzt niemanden herab.
     Die Sprache der Liebe besteht nicht auf Übereinstimmung, denn sie möchte, dass Menschen frei sind, ihre eigene Wahl zu treffen.
     Liebe gründet nicht auf Übereinstimmung. Du kannst anderer Meinung sein und trotzdem diesen Menschen lieben.
     Das ist etwas, das jeder lernen muss. Es ist ein grundlegender Teil unserer spirituellen Praxis. Sicher ist das nicht einfach.
Die meisten lehnen andere ab, weil sie anders aussehen als wir, eine andere Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung haben. Wir möchten, dass jeder so ist, so aussieht, sich so verhält und an das Gleiche glaubt wie wir. Wir lieben andere zwar, aber nur unter bestimmten Bedingungen.
     Bedingte Liebe ist schlicht ein Weg, denjenigen Liebe vorzuenthalten, deren Andersartigkeit uns bedroht. Wenn du Liebe zurückhältst, ist es nur ein kleiner Schritt zur Versagung von Rechten oder Gerechtigkeit. Wem auch immer du Liebe vorenthältst, gegenüber dem wirst du schuldig.
     Also sei ehrlich zu dir. Wenn du ein Mann bist: Akzeptierst du Frauen, obwohl deine Erfahrung eine andere sein mag als ihre? Wenn du ein Schwarzer bist: Akzeptierst du Weiße, obwohl sich deine Erfahrung von der ihren unterscheidet? Wenn du heterosexuell orientiert bist: Akzeptierst du Schwule und Lesben, obwohl sich deine Erfahrung von der ihren unterscheidet? Kannst du eine andere Erfahrung, einen anderen Glauben und einen anderen Blickwinkel als andere haben und sie dennoch lieben und akzeptieren?
     Jeder muss daran arbeiten. Wir alle haben unsere Wege, anderen unsere Liebe und Akzeptanz vorzuenthalten. Wenn wir uns dieser Wege bewusst werden, können wir sie infrage stellen und zulassen, dass unsere Liebe wieder frei fließt.
     Geben und Nehmen – das ist die Sprache der Liebe. Das eine führt auf natürliche Weise zum anderen. Wenn du versuchst, Liebe festzuhalten oder eine Mauer um dein Herz zu errichten, durch die du sie nicht mehr empfangen kannst, wirst du dir nur selbst wehtun.
     Wenn du dir oder anderen die Wahrheit sagst, nutze die Sprache der Liebe:

  • Ermutige, unterstütze und respektiere den anderen, selbst wenn du nicht mit ihm übereinstimmst.
     
  • Sprich mit Liebe in deinem Herzen, ohne den anderen zu verurteilen. Wenn du das im Moment noch nicht kannst, warte, bis du es kannst.
     
  • Strebe keine Übereinstimmung an. Akzeptiere die Unterschiede zwischen euch.
     
  • Verschließe dein Herz nicht und stoße den anderen nicht weg. Sei offen, Liebe in der Form zu empfangen, in der dein Gegenüber in der Lage ist, sie zu geben.
     
  • Enthalte anderen deine Liebe nicht vor. Gib deine Liebe großzügig.

Der Wahrheit ins Auge sehen

Indem du die Wahrheit sagst, bringst du Licht in die Dunkelheit der Bedingtheit. Du machst Verborgenes sichtbar. Du lässt den anderen wissen, was du denkst und fühlst. Du lässt den anderen in deinen Geist und in dein Herz.
     Die Wahrheit zu sagen ist eine mutige Tat. Sie ermöglicht uns, eine größere Nähe zueinander zu finden.
    Es ist Realität im Leben, dass Gefühle sich verändern und Menschen sich ändern. Wir verlieben uns und bewegen uns
von der Liebe füreinander wieder weg. Wir beginnen eine Karriere, erkennen jedoch, dass es nicht das ist, was wir wirklich machen wollen. Wir gehen nach bestem Wissen und Gewissen Verpflichtungen ein, die wir nicht einhalten können.
     Wenn du unglücklich bist, musst du deinem Unglücklichsein ins Auge sehen. Du musst die Wahrheit sagen, zunächst dir selbst und dann den anderen, die dein Leben mit dir teilen. Falls es dir miserabel in deiner Ehe oder mit deinem Job geht, kannst du dieses Gefühl nicht ignorieren. Du kannst kein lächelndes Gesicht aufsetzen und vorgeben, für immer glücklich zu sein. Früher oder später musst du der Wahrheit ins Gesicht schauen und sie anderen mitteilen.
     Das ist natürlich mit dem Risiko verbunden, dass andere wütend auf dich werden, dich verlassen oder sich dir gegenüber emotional verschließen. Um dieses Risiko möglichst gering zu halten, ist es hilfreich, in der Sprache der Liebe zu sprechen und die Wahrheit in einem sicheren Raum mitzuteilen.
     Es kann sein, dass für das Aussprechen der Wahrheit ein Preis zu zahlen ist, doch der Preis für ein Leben in Unehrlichkeit oder Verleugnung ist höher. Wenn du die Wahrheit sprichst, nimmst du deine Freiheit in Anspruch, authentisch und emotional übereinstimmend zu handeln, und räumst anderen die gleiche Freiheit ein. Natürlich ziehen manche Menschen emotionale oder physische Sicherheit der Freiheit vor und sind wahrscheinlich nicht besonders erfreut, wenn du sie zu dieser Freiheit einlädst. Aber das ist ihre Wahl.
     Du kannst dich nicht von der Wahl eines anderen abhängig machen. Du musst deine eigene Wahl treffen und anderen ihre Wahl zugestehen.
     Verbindlichkeiten sind wichtig, und sie sollten möglichst respektiert werden. Aber du kannst weder jemanden dazu zwingen, dich zu lieben oder bei dir zu bleiben, noch kannst du dich selbst dazu zwingen, bei jemandem zu bleiben, den du nicht mehr liebst. Das würde bedeuten, der Seele beider Menschen Gewalt anzutun.
    Liebe und Freiheit gehen immer Hand in Hand. Wenn du wirklich liebst, liebst du offenherzig und bedingungslos.

Die Wahrheit wird dich befreien

Die transformierende Frage lautet: Spreche ich meine Wahrheit und höre ich auf die Wahrheit anderer? Das verlangt von uns, Licht in die Schattenbereiche unseres Herzens und unseres Geistes zu bringen – und in die Schattenbereiche unserer Beziehungen. Wir sind gefordert, alles offen auf den Tisch zu legen, damit wir die Freiheit gewinnen, zu entscheiden, was gut für uns ist. Wenn wir merken, dass wir nicht die Wahrheit sagen, hilft uns diese Frage, den Mut dafür zu fassen.
     Unausgesprochene Worte können eine Beziehung entgleisen lassen. Die Menschen zeigen sich mit ihren Masken und täuschen vor, glücklich zu sein, wenn sie es nicht sind. Dann geschieht etwas Unerwartetes. Vielleicht eine Affäre oder ein Vertrauensbruch, der aus dem Nichts zu kommen scheint. Das jedoch ist einfach nur der Schatten, der sich zeigt, um anerkannt zu werden.
     Wird die Wahrheit nicht als Teil eines organischen Prozesses anerkannt, bricht sie plötzlich und unerwartet hervor. Menschen werden verletzt, verlassen oder betrogen. Alte Wunden werden tiefer und reaktive Verhaltensmuster getriggert. Das ist der Preis der Verleugnung.
     Die spirituelle Übung besteht an dieser Stelle darin, die Wahrheit unserer Herzen ins Bewusstsein zu bringen und den Mut zu haben, sie gegenüber denjenigen auszusprechen, die davon betroffen sind. Wenn die Wahrheit ausgesprochen wird, können angemessene Anpassungen in unserem Leben vorgenommen werden. Verbindlichkeiten können erneut besprochen oder überarbeitet werden, damit wir besser in der Lage sind, sie einzuhalten. Die Gestalt unserer Arbeit und/oder Beziehung kann sich verändern, um unsere Bewusstseinsinhalte besser widerzuspiegeln und der Liebe zu erlauben, frei und bedingungslos zu fließen.
     Wir können eine Veränderung zulassen, wenn ihre Zeit gekommen ist, anstatt ihr zu widerstehen und die unterschwelligen Gefühle zu unterdrücken, die anerkannt werden wollen. So kann Veränderung sich auf sanftere Weise vollziehen. Unser Leben muss nicht in Stücke brechen, damit die notwendige Veränderung eintreten kann.
     Wenn du auf einem spirituellen Weg bist, stellt das Leben in der Verleugnung keine Alternative mehr dar. Du musst verpflichtet sein, in der Wahrheit zu leben, die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit anderer zu akzeptieren und zu respektieren.

Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Du kannst anderen die Wahrheit sagen, ohne ihnen jede Einzelheit mitzuteilen. Lange Geschichten zu erzählen, macht es anderen schwer, den wesentlichen Inhalt zu erfassen. Halte deine Geschichte also kurz und lege den Fokus darauf, was der andere wissen muss. Verschweige auf der anderen Seite aber auch keine Information, die andere brauchen, um zu verstehen, was in dir vorgeht und auf welche Weise sie das betrifft.
     Erzähle die ganze Wahrheit, nicht die ganze Geschichte. Spare dabei wichtige Einzelheiten nicht aus. Versuche nicht, die Wahrheit zu verbergen, zu verschleiern oder umzuformen, um sie leichter genießbar zu machen. Manchmal ist die Wahrheit nicht angenehm.
     Der Versuch, andere zu beschützen, kann den Schmerz sogar noch in die Länge ziehen. Sei also direkt. Sage es geradeheraus. Sei klar. Sei ehrlich. Sei transparent.
     Ist alles offen dargelegt, beginnt das Bewusstsein zu arbeiten. Illusionen werden fallen gelassen. Falsche Annahmen werden berichtigt. Ein neues und ehrlicheres Bild entsteht.
     Wahrheit entlastet uns. Sie räumt das Geröll aus dem Weg. Sie macht den Weg frei. Sie gibt uns die Freiheit, ein authentisches Leben zu leben.

Wichtige Gedächtnisstützen

  • Um die Wahrheit wahrzunehmen, musst du ihr lauschen. Die Wahrheit kommt zu dir, wenn du lange genug bei etwas in Stille verweilst.
     
  • Die Wahrheit zu sagen ist eine mutige Tat. Das ermöglicht uns, zu einer tieferen gegenseitigen Vertrautheit zu finden.
     
  • Wenn die Wahrheit nicht als Teil eines natürlichen Prozesses geehrt wird, bricht sie plötzlich und unerwartet hervor. Menschen werden verletzt, verlassen oder hintergangen. Das ist der Preis der Verleugnung.
     
  • Es gibt eine richtige und eine falsche Zeit, die Wahrheit auszusprechen. Es gibt eine richtige und eine falsche Art und Weise, die Wahrheit auszusprechen.
     
  • Wenn du deine Wahrheit sprichst, tue dies in der Sprache der Liebe. Die Sprache der Liebe unterstützt, versteht und respektiert. Sie erhebt andere. Sie zieht sie nicht herunter.
     
  • Bitte andere um Akzeptanz, nicht um Übereinstimmung. Liebe beruht nicht auf Übereinstimmung. Sie gründet auf Akzeptanz und gegenseitigem Respekt.
     
  • Höre anderen zu, damit sie sich gehört und akzeptiert fühlen. Spar dir deinen »Sermon« dazu. Vermeide es, zu urteilen, zu kritisieren und zu werten, und gib auch kein unerwünschtes Feedback.

 Paul Ferrini Teaching
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