SCHLÜSSEL ZWEI
SEI DU SELBST

TRANSFORMIERENDE FRAGE: Ist das in Harmonie mit dem, wer ich bin?


Jeder hat eine einzigartige Blaupause für seine Verkörperung. Wir haben Stärken und Schwächen, Vorzüge und Belastungen. Zu verstehen und zu akzeptieren, wer wir sind, ist von höchster Wichtigkeit auf dem spirituellen Weg. Wir sind nicht hier, um wie ein anderer zu sein. Wir sind hier, um zu sein, wer wir sind.
     Die große Hürde bei unserem Prozess des Selbst-Verstehens ist unsere Tendenz, die Überzeugungen anderer Menschen in unserer Umgebung anzunehmen und zu verinnerlichen. Sie wissen nicht, wer wir sind, dennoch projizieren sie ihre eigenen Sehnsüchte und Ängste auf uns. Sie haben ihren Plan für unser Leben. Eltern und andere Autoritätsfiguren können einen gewaltigen Einfluss auf uns haben. Wir wollen ihnen gefallen. Wir möchten sie glücklich machen, damit sie uns lieben und akzeptieren. Als Ergebnis davon betrügen wir unsere innere Blaupause oft schon in der frühesten Kindheit. Wir lernen, so zu sein, wie andere uns haben wollen, und nicht so, wie wir wirklich sind.
     Mit ein wenig Glück durchschauen wir diesen Prozess des Selbstbetrugs schon früh. Wir verstehen, dass es darum geht, ganz wir selbst zu sein und den Anspruch auf unser eigenes Leben geltend zu machen. Wir können nicht so leben, wie Mama oder Papa es gern hätten. Also verlassen wir unser Elternhaus, nicht nur physisch, sondern auch geistig und emotional. Wir schneiden die Nabelschnur durch und werden zu selbstständigen menschlichen Wesen. Wir danken unseren Eltern für die Gaben, die sie uns mitgegeben haben, und brechen auf in ein unabhängiges Leben, in dem wir unsere eigenen Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben.
     In diesem Prozess müssen wir unsere Ideen und Überzeugungen von denen trennen, die zu Mama, Papa oder anderen Autoritätsfiguren gehören. Wir müssen Erstere umarmen, Letztere infrage stellen. Wir möchten kein unbewusstes, von unseren Wunden gesteuertes Leben führen und nicht versuchen, die unerfüllten Träume unserer Eltern zu erfüllen und dadurch deren tragische, selbstzerstörerische Verhaltensmuster zu wiederholen.
     Wir sind hier, um wir selbst zu sein, nicht, um wie sie zu sein. Um wir selbst sein zu können, müssen wir frei von den energetischen Mustern unserer Ursprungsfamilie sein. Hier gibt es ein ganzes Stück Arbeit am »Inneren Kind« zu tun. Falls du den Mut für diese Arbeit hast, erkundige dich zum Beispiel nach unseren Real-Happiness-Workshops (siehe Anhang) und lerne dort, die Verletzungen der Vergangenheit loszulassen. Wenn nicht, mache dir zumindest bewusst, dass es Kräfte in dir gibt, die dich auf Selbstbetrug programmieren. Du musst dir dieser Kräfte bewusst sein, damit du wählen kannst, dich selbst zu ehren und dein eigenes Leben zu leben. Sonst wirst du deine Zeit verschwenden, bis zum Hals im Morast bedingter Liebe stecken bleiben und unfähig sein, deinen Lebenszweck hier zu erfüllen.
     Die transformierende Frage lautet in diesem Zusammenhang: Ist das in Harmonie mit dem, wer ich bin? Mit anderen Worten: Spiegelt dieser Gedanke, dieses Gefühl oder diese Handlung meine einzigartigen Gaben, meine Talente, mein Naturell wider – oder viel mehr den Wunsch, jemandem zu gefallen (den Eltern, dem Lehrer, dem Partner, einem Guru oder einer anderen Autoritätsfigur)? Wenn du dir diese Frage immer wieder stellst, hält dich das davon ab, dich selbst zu betrügen. Dir muss bewusst sein, wann du Anerkennung von anderen erstrebst und damit deine Macht abgibst. Der Versuch, anderen zu gefallen, geht nie auf, weil sie am Ende doch nicht zufrieden sind. Sie verweigern ihre Anerkennung, oder sie nutzen ihre Zustimmung als Mittel, um dich zu manipulieren, als »Karotte« vor deiner Nase, damit du tust, was sie von dir erwarten.
     Du musst lernen, Nein zu diesen Manipulationsversuchen zu sagen. Du musst lernen, deine Freiheit über alles andere zu stellen.
     Um wirklich frei zu sein, musst du natürlich bereit sein, für dich selbst zu sorgen. Falls du Geld von deinen Eltern oder deinem Ehepartner nimmst, wirst du nie ganz frei sein, deine eigene Wahl zu treffen. Du musst die Haken anderer entfernen, die in dir stecken, ansonsten wirst du immer wie ein Fisch auf dem Trockenen sein, der an der Angel hängt und hilflos mit den Flossen rudert. Nimm die Haken ab und schwimme dich frei. Finde deine eigene Nahrung und hüte dich vor dem Köder, der am Haken vor dir baumelt.
     Bist du nicht bereit, dich selbst zu ernähren, dann wirst du unausweichlich den Grund und Boden aufgeben, von dem du lebst. Tu das nicht! Nimm ihn ganz in Besitz und beginne, dein Land zu bestellen. Es gibt eine Menge zu tun. Die Früchte des Feldes wollen gesät, gejätet und gewässert werden. Du musst lernen, für dich einzustehen, für dich zu sorgen und deinen eigenen Ideen und Werten treu zu bleiben.
     Ganz man selbst zu sein ist natürlich nicht leicht. Es gibt viele Menschen, die es vorziehen, wie Kinder von ihren Eltern oder von den elterlichen Institutionen der Gesellschaft abhängig zu bleiben. Darin liegen jedoch weder Freiheit noch Würde. Du kannst kein spiritueller Mensch sein und gleichzeitig von Sozialhilfe leben. Du musst für dein eigenes Wohlergehen sorgen. Du musst dich um dich kümmern, falls dir das irgendwie möglich ist. Sofern du dazu wirklich nicht in der Lage bist, ist es in Ordnung, um Hilfe zu bitten. Sei aber bitte ehrlich! Auch wenn gewisse Dinge außerhalb deiner Möglichkeiten liegen, gibt es bestimmt andere, die du durchaus in Angriff nehmen kannst. Niemand ist völlig nutzlos. Jeder Mensch hat eine Gabe, die er einbringen kann. Es spielt keine Rolle, wie bescheiden sie ist. Wer nicht lernt, diese Gabe zu schätzen und sie der Welt anzubieten, besitzt keine Würde oder Selbstachtung.
     Ganz egal, wie sehr dich das Leben fordert, gib deine Kraft nicht ab. Nimm sie für dich in Anspruch. Nähre deine Gaben. Mach kleine Babyschritte. Setze dir kurzfristige Ziele und erreiche sie. Baue den Erfolg auf, wie du ein Fundament für eine Mauer errichten würdest, Stein für Stein. In einer Arbeit, die dich ehrt, liegt Würde, wenn sie dich dazu führt, vorwärtszukommen und deine Ziele zu erreichen. Wenn nicht einmal du dir selbst verpflichtet bist, wer wird es dann sein? Die Antwort ist: Niemand! Mach dir nichts vor, sonst belügst du dich selbst. Dann lebst du in einer Fantasiewelt. Tauche aus der Verleugnung auf! Du allein bist dafür verantwortlich. Sonst keiner.
     Gibst du deine Macht an andere ab, verleugnest du deinen wahren Wert. Dann läufst du herum wie ein Haufen Knochen. Die Menschen werden es knacken hören, weil kein Fleisch an deinen Knochen hängt, keine Substanz oder Leidenschaft in
deinem Leben ist. Das bedeutet, lebendig tot zu sein. Mach Schluss damit! Verschwende dein Leben nicht. Wenn du faul und unmotiviert bist, wenn du die Dinge immer wieder auf die lange Bank schiebst, nach dem perfekten Job suchst, der perfekten Beziehung, dem perfekten Leben, mach dir klar, dass du deine Kraftlosigkeit dadurch verstärkst. In diesem Fall schließt du dich besser der Armee oder dem Friedenstrupp an. Hacke Holz, hole Wasser. Tu was! Arbeite hart. Arbeite mit Begeisterung und mit Elan. Und wenn du kannst, pfeife, während du arbeitest. Vielleicht wird gerade dein Chef auf dich aufmerksam. Und möglicherweise findest du heraus, dass sich plötzlich Gelegenheiten ergeben, die vorher nicht da waren, nur weil du bereit warst, in die Gänge zu kommen. Du warst bereit, deinen Teil beizutragen. Du warst bereit, an dich zu glauben.
     Nutze die transformierende Frage nicht als Entschuldigung, um dahinzuvegetieren, deine Zeit zu verbummeln oder gar nichts zu tun.
     Nutze sie, um eine Richtung zu finden und sie zu verfolgen. Angenommen, du fragst dich: Ist das in Harmonie mit dem, wer ich bin?, und deine Antwort lautet: »Nein«, weil du genau weißt, dass du dann das tun würdest, was Papa von dir will, nicht das, was du selbst tun willst, dann ist das ein guter erster Schritt. Aber du bist noch nicht fertig. Sage Nein zu dem, was dich nicht ehrt, aber nutze dieses Nein, um ein Ja zu finden.
     Wenn du Papas Angebot ablehnst, dein Zahnmedizinstudium zu bezahlen, sage stattdessen Ja zum Kunst- oder Musikstudium, zur Informatikausbildung – oder was auch immer dir am Herzen liegt. Frage dich: Was ehrt mich? Welche Talente möchte ich entwickeln oder damit einen Beitrag leisten? Und dann beweg dich. Nein zum Selbstbetrug zu sagen, erlaubt dir, Ja zu dir als authentischem Wesen zu sagen. Das Nein ist ohne das Ja bedeutungslos. Es hat keine Kraft und kein Ziel. Sage Nein zu dem, was nicht in Harmonie mit dem ist, wer du bist, und dann finde ein Ja, das diese Harmonie herstellt. Begreife, dass beides Hand in Hand geht. Authentisch zu sein bedeutet, dir selbst treu zu sein. Das ist eine essenzielle Bedingung dafür, ein reifer, psychisch bewusster, spirituell erfüllter Mensch zu werden. Deine Macht wieder einzufordern, wenn du sie bislang abgegeben hast, ist der erste Schritt, um du selbst zu sein. Danach kannst du den nächsten Schritt gehen.

Anderen die Kraft und Verantwortung zurückgeben

Du kannst nicht du selbst sein, wenn du versuchst, die Anerkennung von anderen zu bekommen, oder ihnen erlaubst, deine Entscheidungen zu beeinflussen. Andere können nicht sie selbst sein, wenn sie versuchen, deine Anerkennung zu bekommen, oder dir erlauben, ihre Entscheidungen zu beeinflussen. Wechselseitige Abhängigkeit ist wie ein zweischneidiges Schwert mit scharfer Klinge auf beiden Seiten. Es ist egal, auf welcher Seite du stehst. Voraussichtlich wirst du so oder so verletzt werden.
     Wenn du schlau bist, wirst du das Schwert begraben oder es zumindest in die Scheide stecken. Hole dir deine Freiheit und deine Kraft zurück. Und gib anderen deren Freiheit und Kraft zurück. Sollten andere versuchen, dir zu gefallen oder deine Anerkennung zu bekommen, sage ihnen: »Bitte tu, was dein Herz möchte. Was ich denke und möchte, ist unwichtig. Ich unterstütze dich darin, die beste Entscheidung für dich zu treffen.«
     Sooft du einem anderen seine Freiheit einräumst, verstärkst du deine eigene und ermächtigst dich, in deinem Leben vorwärtszugehen. Sich nicht in die Angelegenheiten anderer einzumischen, ist eine der tiefgreifendsten Entscheidungen, die du auf deinem spirituellen Weg treffen kannst. Sich in das Drama anderer hineinziehen zu lassen ist so, als würde man seinen Fuß auf Treibsand setzen. Dort wieder herauszukommen, fällt wahrlich nicht leicht – und es hält dich davon ab, deine eigenen Prioritäten zu verfolgen.
     Stellst du also die transformierende Frage Ist das in Harmonie mit dem, wer ich bin?, tue es bitte in dem Gewahrsein, dass jeder Versuch, andere zu beeinflussen oder zu kontrollieren, nicht in Harmonie mit deinem wahren Selbst, mit dem wahren Selbst anderer und den spirituellen Gesetzen des Universums ist. Sage Nein dazu, deine Kraft abzugeben, aber auch dazu, sie anderen zu nehmen. Sage Ja zu deiner und Ja zu ihrer ureigenen Kraft.
     Die Verführung ist immer groß, anderen einen Rat zu geben, sobald sie dich um deine Meinung bitten. Doch hüte dich vor dem Köder. Ratschläge zu geben – das ist, als bewegte man sich auf einem rutschigen Abhang. Sobald du sagst: »Wenn ich du wäre, würde ich dieses und jenes machen,« füge bitte auch den Vorbehalt hinzu: »… aber ich bin nicht du, und du musst tun, was sich für dich richtig anfühlt, und deine eigene Entscheidung treffen.« Auf diese Weise bleibst du dem Drama fern.
     So wird der andere im Falle einer schlechten Entscheidung nicht im Nachhinein zu dir kommen und sagen: »Warum hast du mir geraten, dass ich das machen soll?« Man kann dir nicht die Schuld zuschieben, weil du gar nicht erst ins Fettnäpfchen getreten bist.
     Andererseits mischen sich Menschen ständig in die Angelegenheiten anderer ein. Dadurch vergessen wir manchmal die Grundregeln gegenseitiger Unterstützung und übertreten die Grenzen anderer. Falls das passiert, entschuldige dich, sobald du merkst, dass du zu weit gegangen bist. Und bitte um eine Kurskorrektur, sobald du merkst, dass jemand deine Grenzen überschritten hat. Wichtig ist vor allem, dass du das ganze Thema mit Sanftmut angehst. Wir alle machen Fehler. Wir alle müssen vergeben und um Vergebung bitten.
     Das Leben kann die Erfahrung von Ermächtigung sein, aber auch von Machtrausch. Machträusche erheben oder erfüllen niemanden. Darum musst du wachsam sein. Mach dir bewusst, wann du deine Kraft abgibst. Erkenne, wann du versuchst, anderen ihre Macht zu nehmen. Bitte um Kurskorrektur. Mache deine eigenen Fehler wieder gut, lerne aus ihnen. Und gehe weiter auf deinem Weg.
     Vergebung ist eine bewusst gewählte Lebensweise. Sie macht uns stärker und hilft uns, unseren Fokus zu finden. Indem wir uns jeden Augenblick in Vergebung üben, lassen wir die Vergangenheit los, verhindern, dass unsere selbstschädigenden Verhaltensmuster unser Leben beherrschen, und kommen augenblicklich in unsere Kraft und unsere Bestimmung.

Gleichwertigkeit und gegenseitiger Respekt

Sind wir frei, zu sein, wer wir sind, haben Gleichwertigkeit und gegenseitiger Respekt einen festen Platz in der menschlichen Gemeinschaft. Niemand versucht, den anderen zu kontrollieren. Niemand ist Opfer oder Täter. Niemand wird diskriminiert, kontrolliert oder missbraucht. Jeder ist befugt, seine eigene Wahl zu treffen und die Verantwortung für die Konsequenzen seiner Entscheidungen zu tragen.
     Wo es keinen Selbstbetrug gibt, kann es keinen Missbrauch geben. Und da kann es keine Ungleichheit geben.
Indem jeder von uns lernt, seine Macht für sich selbst zu beanspruchen, und andere darin unterstützt, dies ihrerseits zu tun, werden die Überschreitungen seltener. Sollten sie dennoch geschehen, werden sie schneller bewusst und mühelos korrigiert.
     Das ist die Welt, die wir gemeinsam hervorbringen. Aber wie immer beginnt sie bei dir und mir. Sie beginnt mit der Wahl, die wir in diesem Augenblick treffen.

Wichtige Gedächtnisstützen

  • Lebe dein eigenes Leben, sorge für dich und triff deine eigene Wahl.
     
  • Ermutige andere, ihr eigenes Leben zu leben, für sich selbst zu sorgen und ihre eigene Wahl zu treffen.
     
  • Du kannst nicht du selbst sein, solange du versuchst, anderen zu gefallen, und anderen erlaubst, deine Entscheidungen zu beeinflussen, oder wenn du deine Kraft auf irgendeine Weise an andere abgibst.
     
  • Du kannst nicht du selbst sein, falls du anderen deine Unterstützung versagst oder versuchst, sie zu beeinflussen bzw. sie auf irgendeine Weise ihrer Macht zu berauben.
     
  • Was andere über dein Leben denken oder was du über das Leben anderer denkst, ist bestenfalls bedeutungslos, schlimmstenfalls aufdringlich und kontrollierend.
     
  • Weil du dich aus dem Leben anderer heraushältst, kannst du voll und ganz in deinem eigenen Leben präsent sein. Das Gleiche gilt umgekehrt für andere.
     
  • In allen Interaktionen mit anderen sind Gleichheit und gegenseitiger Respekt das Ziel.
     
  • Indem du die transformierende Frage nutzt, um dich selbst zu ehren und authentisch zu sein, trägst du deinen Teil dazu bei, eine sanftmütigere und harmonischere Welt zu erschaffen.

Paul Ferrini Teaching
 SEI DU SELBST